Kino „Eva-Lichtspiele“

Beliebtes Familienkino feiert 2013 seinen 100. Geburtstag

Die Eva-Lichtspiele in Berlin Wilmersdorf Die Eva-Lichtspiele in Berlin Wilmersdorf

(be) „Ein Kino mit Charme und Wohlfühlfaktor!“, „Komme schon seit Jahren hierher“, so oder ähnlich lauten Kommentare zum Wilmersdorfer Kiezkino Eva-Lichtspiele, das jetzt einhundert Jahre alt wird. Es gehört damit zu den ältesten bespielten Kinos Berlins. Die Eva-Lichtspiele versprühen noch immer den Charme vergangener Kinozeiten. Das ist es, was viele Menschen lieben. Zum Beispiel den goldfarbenen Wolkenvorhang im Saal, den kleinen gemütlichen Vorraum und den geschwungenen nostalgischen Neonschriftzug an der Fassade. Darüber hinaus punktet das Kino durch einen besonders freundlichen Service, der für Karlheinz Opitz und seine MitarbeiterInnen fester Bestandteil ihrer Kinophilosophie ist. Ein wohlfeiles, familienfreundliches und abwechslungsreiches Programm, sowie Spezialitäten wie die Reihe „Der alte deutsche Film“ sprechen jüngere und ältere Zuschauer an.

Die Geschichte der „Eva-Lichtspiele“ zu skizzieren ist schwierig, denn viel ist leider nicht bekannt über die hundert Jahre ihres Bestehens. Niemand hat wirklich jemals etwas konsequent über das Kino aufgeschrieben und intensive Recherchen im Internet, Büchern, bei der Deutschen Kinemathek oder im Heimatmuseum von Charlottenburg-Wilmersdorf förderten nicht viel zutage.

Ich möchte trotzdem versuchen, anhand der wenigen Funde etwas über das Kino und die jeweilige Zeit zu erzählen. Nach 1900 entwickelten sich Kinos von einer Jahrmarktsattraktion zur festen Größe im Unterhaltungsbereich. Es entstanden immer mehr Kinobetriebe, viele, so wie die Eva-Lichtspiele (die bei ihrer Eröffnung übrigens noch Roland-Lichtspiele hießen), in den Erdgeschossen von Wohnhäusern. 1924 gab es in Wilmersdorf bereits elf Kinos und drei Jahre später sogar siebzehn. Solche kleinen Kinos hatten meistens 100 bis 200 Plätze.

Eva-Lichtspiele – Die frühen Jahre

Bis 1917/18 gehörte das Kino in der Blissestraße 18 wohl Felix Wespe, bis 1924 dann einem Alfred Löwenthal. 1921 wurde das Kino angeblich umgebaut. Die Sitzplatzzahl in den Eva-Lichtspielen schwankte immer zwischen 250 und 333. Später wurde das Kino von den Polygon-Lichtspielbetrieben Schönstedt & Co. betrieben. Neben Kinofilmen gab es in den Eva Lichtspielen 1924 auch Filmvorführungen zum Thema „Hygiene der Ehe„, verbunden mit einem „Allgemein verständlichen ärztlichen Vortrag“ über das, „was ein jeder von der Ehe wissen muss!“ So steht es in einer Zeitungsannonce aus dieser Zeit. Auf Vorschlag des damaligen Betreibers wurden die Filme im Eva auch mit Musikbegleitung präsentiert – zuerst durch eine Violinistin und später durch ein ganzes Orchester, das durch den Einbau eines zweiten Vorführapparates pausenlos im Einsatz war. Orchester waren zu dieser Zeit in den Kinos weit verbreitet.

Für kleine Kinos gab es auch damals schon Konkurrenz, denn gleich um die Ecke an der Berliner Straße/Ecke Kaiserallee (der heutigen Bundesallee) eröffnete 1927 das riesige Kino „Atrium„ mit 2500 Sitzplätzen. Und wenig später, im September 1928, eröffnete das zweite große Kino Wilmersdorfs, das „Universum„ am Lehniner Platz. (heute Schaubühne). 1928 hält der Tonfilm Einzug in die Kinos. 1929 ist es eine Meldung wert, dass in der nahen Gasteiner Straße die Wilmersdorfer Feuerwehr „tongefilmt“ wird. Seltsame Apparate sollen auf der Straße gestanden haben, Scharen von Zuschauern wurden durch die Dreharbeiten angelockt.

Die Eva-Lichtspiele sollen in den 30er Jahren wohl sehr früh auf Tonfilm umgerüstet haben. Die hohen Kosten für die Anschaffung der „Tonfilmapparaturen“ konnten kleinere Häuser nur schwer aufbringen. Der Wilmersdorfer Kinounternehmer Fritz Staar, Inhaber einiger Kinos in Wilmersdorf, hielt den Tonfilm damals noch nicht für sehr verlässlich und deshalb nur für große Häuser mit mehreren tausend Plätzen geeignet. Und die Artisten-Loge und der Deutsche Musiker Verband protestierten sogar mit Flugblättern gegen den Tonfilm und warnten vor den Gefahren der neuen Technik. „Tonfilm ist Kitsch“ „Tonfilm ist wirtschaftlicher und geistiger Mord!“ hieß es unter anderem.

Was kostete eine Kinokarte vor dem Krieg im Eva? Wir wissen es nicht, doch für die Rüdesheimer Lichtspiele in der Aßmannshauser Straße wird 1936 gemeldet, dass es für 70 bis 90 Pfennige Kulturfilm, Wochenschau und Hauptfilm zu sehen gab. Und was war in den Kriegsjahren? Gab es vielleicht in den Eva-Lichtspielen auch einen „Tag der Wehrmacht“, wie im nahen Atrium? Mit Musikkorps und Komikern?

Glücklicherweise überstand das Haus Blissestraße 18 den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet, sodass der Betrieb des Kinos fast durchgehend aufrechterhalten werden konnte. Eines der wenigen Fotos, wohl aus dem Jahr 1945, zeigt, wie Besucher an der Kasse des Kinos anstehen. Im Programm lief der englische Film „Geheimnisvolle Erbschaft“ des damals noch völlig unbekannten Regisseurs David Lean. Das links an das Kino anschließende Wohnhaus war vollständig dem Krieg zum Opfer gefallen. Durch die Blissestraße fuhr eine Straßenbahn. Die Gleise sind auf dem Bild zu sehen. Was eine Kinokarte in diesen Notzeiten so kurz nach dem Krieg kostete, wissen wir nicht. Lebensmittel waren jedenfalls im Nachkriegs-Berlin streng rationiert und die Menschen litten unter einem sehr kalten Winter.

Eva-Lichtspiele 1947

Das Wilmersdorfer Kino Eva-Lichtspiele im Jahr 1947

Neuer Schwung

Karlheinz Opitz, Chef der Eva-Lichtspiele

Karlheinz Opitz, Chef der Eva-Lichtspiele

Vom Beginn der fünfziger Jahre bis Anfang der sechziger Jahre fehlen uns leider Informationen über das Kino. Hannelore Rojahn war von 1964 bis 2000 Eigentümerin der Eva-Lichtspiele. Nach schlechten Zeiten in den siebziger Jahren, Rojahn dachte fast daran aufzugeben, erlebte sie mit dem Film „Amadeus“ einen Durchbruch. Das Filmangebot wurde in dieser Zeit insgesamt besser und die Eva-Lichtspiele entwickelten sich zu einem ertragreichen Kino. Hannelore Rojahn investierte viel Geld in die komplette Kinoausstattung wie Vorhang, Klimaanlage und Möbel. Nach dem Jahr 2000 wurde das Kino einige Jahre von Dirk Pohlmann geführt. Pohlmann war zuvor bereits als Vorführer im Eva tätig. Der engagierte Filmliebhaber hatte aber keine glückliche Hand und musste aufgeben. Im Jahr 2006 übernahm dann Karlheinz Opitz die Eva-Lichtspiele und investierte in das Kino, um es wieder fit zu machen. Opitz: „Ich habe sehr viel Hilfe bekommen, vor allem von meinem Vater, der rüstiger Rentner ist und Handwerker durch und durch. Er hat repariert was das Zeug hielt. Das Erscheinungsbild des Kinos war bei meiner Übernahme nicht toll. Egal wo man hingesehen hat, zehn, zwanzig Jahre wurde nichts investiert. Und das fiel auch den Besuchern auf und sie blieben fern. Wir, dass ganze Team haben gestrichen geputzt, dem Kino eine neue Leinwand spendiert und die Tontechnik verbessert. Da kamen Tausende von Euro zusammen, nur um den üblichen Standard wiederherzustellen“.

Mit der Zeit lernte Karlheinz Opitz immer besser den Geschmack seines Publikums kennen. Filme zu bekommen ist dann ein anderes Problem. „Das Kino gehört zu keiner Kette, wir können uns nicht die Filme aussuchen, wie wir wollen. Man muss versuchen, an die Verleiher heranzukommen, um die Filme zu bekommen, die zum Haus passen“.

Außerdem musste das Kino unbedingt noch zukunftsfähiger gemacht werden. „Unterstützt durch verschiedene Förderer“ so Opitz, „haben wir seit einiger Zeit auch digitale Projektionstechnik installiert. Das ist ein Schritt in die Zukunft des Kinos. Digitale Projektion gibt ein tolles Bild und in Zukunft wird es sicherlich immer weniger analoge Filme geben. Unterstützt werde ich durch enthusiastische Mitarbeiter, Studenten und eine festangestellte Vorführerin“.

Wie kam Karlheinz Opitz zu den Eva-Lichtspielen? „Ich habe mich schon längere Zeit bemüht, ein eigenes Kino zu betreiben. Das ist in Berlin denkbar schwer gewesen. Ich habe mir verschiedene Kinos angesehen, darunter auch leerstehende. Manche waren baufällig, im alten Sputnik regnete es sogar durchs Dach. Es war illusorisch, diese Kinos bei unseren finanziellen Möglichkeiten wieder zum Laufen zu bekommen. Es war kurios, eigentlich hatte ich meine Pläne schon wieder fast begraben, da bekam ich das „Eva“ angeboten. Nach einer ersten Kalkulation habe ich mich dann dazu entschlossen, es zu versuchen“.

„Meine ersten Kino-Gehversuche habe ich mit einem lustigen und etwas naiven Projekt angefangen, das sich „Kinosuppe“ nannte. Ich wollte eigentlich Filme zeigen, die meiner Meinung nach viel zu kurz in den Kinos liefen. Also richtige Filmkunst. Dann hat mir mal eine ältere Dame von sogenannten Pantoffelkinos erzählt, die es nach dem Krieg gab. Man konnte Filme gucken und bekam noch eine Suppe dazu. Das fand ich so toll, dass ich so etwas unbedingt verwirklichen wollte. Da ich zwei transportable 35-mm-Projektoren hatte, machte ich mich in Friedrichshain und Kreuzberg auf die Suche nach einer geeigneten Spielstätte. Neben dem RHW Tempel spielte ich dann noch im Max und Moritz. Allerdings habe ich das nur etwa sechs Monate lang gemacht. Die Leute fanden das nostalgische Konzept Klasse, doch ich hatte den Preis viel zu niedrig kalkuliert und so reichte dann auch ein halbes Jahr“.

Liebgewonnen: Der alte deutsche Film

Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Bereits seit einigen Jahrzehnten hat sich in den Eva-Lichtspielen die interessante Reihe „Der alte deutsche Film“ etabliert. Ein wachsender Kreis von Filmbegeisterten pilgert einmal in der Woche am Mittwoch in das kleine Kino, um sich alte deutsche Filme anzuschauen. Es kommen viele junggebliebene Senioren, aber immer öfter auch filmhistorisch interessierte jüngere Menschen zu den Mittwochsfilmen. Zu den treuesten Besuchern gehören seit Jahrzehnten auch Frau Muinch (82) und Frau Rossa (97). Die beiden alten Damen sitzen immer schon lange vor Vorstellungsbeginn an ihrem kleinen Stammtisch und tauschen Neuigkeiten aus. Und vorher gibt es immer ein Stück Kuchen und Kaffee. Frau Rossa (97) betont, dass sich die beiden sogar bei der Filmreihe im Eva kennengelernt haben. „Die alten Schauspieler sehe ich sehr gerne“ sagt sie „damals war alles natürlicher, so ohne Druck, wie im Leben gespielt. In den neuen Filmen gäbe es ja nur immer Bettgeschichten, das kenne man ja“. Und Frau Rossas Freundin, Frau Muinch (82) betont, wie sehr sie die familiäre Atmosphäre in den Eva-Lichtspielen schätzt.

Die Reihe „Der alte deutsche Film“ wird betreut von Martin Erlenmaier, der in jeder Woche bekannte und fast unbekannte deutschsprachige Filme aus den 30er und 40er Jahren auswählt und mit einer sachkundigen Einführung präsentiert. Nach der Filmvorführung sitzen immer noch einige Stammbesucher an den kleinen Marmortischen im Foyer des Kinos, diskutieren über alte Filme und tauschen untereinander Filmfotos, Plakate und historische Filmprogramme.

Übrigens haben auch schon einige Stars aus vergangenen Filmzeiten den Weg in die Blissestraße gefunden, um die Fragen des Publikums zu beantworten und Autogramme zu geben. Zum Beispiel der Berliner Schauspieler Gunnar Möller, der 1940 im zarten Alter von 12 Jahren in einer Verfilmung des Märchens „Hänsel und Gretel“ sein Filmdebüt gab und 1955 an der Seite von Liselotte Pulver in dem Film „Ich denke oft an Piroschka“ die Hauptrolle spielte.

Die Berlinale zu Gast in den Eva-Lichtspielen

Die Berlinale zu Gast in den Eva-Lichtspielen

Die Berlinale in den Eva-Lichtspielen

Zur sechzigsten Berlinale, im Jahr 2010, wurde erstmals eine eigene Sektion mit dem Titel „Berlinale goes Kiez“ eingeführt. So sollte der Rote Teppich in die Kieze der Stadt getragen werden. Die Eva-Lichtspiele gehörten drei Mal dazu. „Darüber habe ich mich sehr gefreut“ sagt Karlheinz Opitz, denn die zehn ausgewählten Kiezkinos wurden so für einen Tag zur Berlinale-Spielstätte. „Es gab richtig einen Roten Teppich, Straßenabsperrungen und festliches Licht. Außerdem schauten auch prominente Filmpaten vorbei“. Beispielsweise die Berliner Filmemacherin Feo Aladag oder Schauspieler Florian Lukas zur Berlinale 2014. Bei natürlich ausverkauftem Haus konnte man in jedem Jahr eine wunderbare und unvergessliche Festivalstimmung genießen.

Regisseurin Feao Aladag zu Gast in den Eva-Lichtspielen

Regisseurin Feao Aladag zu Gast in den Eva-Lichtspielen

Ausgezeichnetes Programmkino

Das Medienboard Berlin-Brandenburg hat fast 50 Programmkinos in Berlin ausgezeichnet. Die Wilmersdorfer Eva-Lichtspiele gehören wieder dazu! Die Begründung im Zitat: „Ein Kiezkino par excellence, das inzwischen wirklich weiß, wie es geht. Starke Themensetzung mit starker Filmauswahl, ein Schwerpunkt auf Dokumentarfilmen und Filme für’s ältere Publikum in der Nachbarschaft – dazu eine steigende Zahl von Filmgesprächen. So kann’s gehen in Wilmersdorf.“ Wir freuen uns mit dem Kino über diese Auszeichnung!

Gäste in den Eva-Lichtspielen

Zahlreiche SchauspielerInnen, Regisseure und Filmschaffende waren in den letzten Jahren zu Gast in den Eva-Lichtspielen. Hier nur eine kleine Auswahl.

Premiere "Rettet Raffi" mit Bettina Kupfer, Arend Agthe, Henriette Heinze, Nicolaus von der Recke, Albert Kitzel

Premiere „Rettet Raffi“ mit Bettina Kupfer, Arend Agthe, Henriette Heinze, Nicolaus von der Recke, Albert Kitzel und anderen.

Premiere "... nicht schon wieder Rudi" - Oona-Devi Liebich und Ismail Sahin

Premiere „… nicht schon wieder Rudi“ – Oona-Devi Liebich und Ismail Sahin

Regisseurin Kordula Hildebrandt bei der Premiere ihres Filmes "Tango Pasión" in den Eva-Lichtspielen

Regisseurin Kordula Hildebrandt bei der Premiere ihres Filmes „Tango Pasión“ in den Eva-Lichtspielen

Begegnung mit einem faszinierenden Menschen. Für mehrere Sondervorführungen des Dokumentarfilms "Rabbi Wolff" von Britta Wauer kam William Wolff extra aus England eingeflogen. Nach der Vorführung vor fast ausverkauftem Haus in den Wilmersdorfer Eva-Lichtspielen stellte sich Rabbi Wolff den Fragen der begeisterten Zuschauer und signierte geduldig Bücher. Mehr über den Film, der dort auch noch am 22.5. und 5.6. in der Matinee läuft, gibt es hier: http://www.rabbiwolff.com/de/ Auf dem Foto: Regisseurin Britta Wauer, Rabbi Wolff und Kameramann Kaspar Köpke

Rabbi Wolff, Britta Wauer und Kaspar Köpke

Begegnung mit einem faszinierenden Menschen. Für mehrere Sondervorführungen des Dokumentarfilms „Rabbi Wolff“ von Britta Wauer kam William Wolff extra aus England eingeflogen. Nach der Vorführung vor fast ausverkauftem Haus in den Wilmersdorfer Eva-Lichtspielen stellte sich Rabbi Wolff den Fragen der begeisterten Zuschauer und signierte geduldig Bücher.

Links und Quellen:

„Der Bezirk Wilmersdorf“ Die Jahre 1920-1945

edoc.hu-berlin.de/kunsttexte/2010-1/sildatke-arne-3/PDF/sildatke.pdf
www.filmportal.de/thema/das-kino-als-erfahrungsraum
www.booklooker.de/app/favorites.php?listID=6384

Fotos: Becker, Eva Lichtspiele

Update dieser Seite im Juni 2016